Montag, 28. Juli 2014

Caspar David Friedrichs reale Dorflandschaft

Caspar David Friedrichs Gemälde Dorflandschaft bei Morgenbeleuchtung oder auch Einsamer Baum genannt, entstand 1822 und ist eines der rätselhaftesten Bilder des Malers. Grundsätzlich gilt die Annahme, hier handelt es sich um eine willkürliche Zusammensetzung von landschaftlichen Motiven. So willkürlich ist aber diese Kompilation nicht. Wie bei zahlreichen anderen Werken fügt Friedrich im Hauptmotiv Reallandschaften zusammen. In diesem Fall das Panorama hinter Pfarrhaus und Gutspark von Breesen bei Neubrandenburg, wo die Schester des Malers, Catharina Dorothe Sponholz, lebte. 

Montiert werden eine große Wiesenfläche mit einer Eiche in der Mitte hinter dem Pfarrgarten und ein Weiher mit einer Eichengruppe, der in der Natur etwas weiter östlich auf der Höhe des ehemaligen Gutshauses liegt. Faszinierend ist, dass man diese Aussichten heut noch erleben kann. In dem Dorf gab es eine lange Tradition der Landschaftpflege, bei der Bäume und Baumgruppen am Ort erhalten oder nachgepflanzt wurden. So steht der einsame Baum immer noch wie vor nahezu 200 Jahren auf der großen Wiese und die Baumgruppen am jetzt ausgetrockneten Weiher. 

Die Landschaft mit Dörfern und Städten, die sich dahinter entwickelt, ist vermutlich einer sentimentale Erinnerung an Catharina Sponholz, die nach ihrer Hochzeit nie auf Reisen gegangen ist. Die Berge sind lediglich die sinnvolle Einrahmung des Motivs im Hintergrund. 

Mehr dazu im Kapitel I. Heimat, Familie, Frauenbild http://www.caspar-david-friedrich-240.de/#P-Book

Landschaft hinter dem Breesener Pfarrhaus. Caspar David Friedrich: Dorflandschaft bei Morgenbeleuchtung. 1822, Öl auf Leinwand, 55 x 71 cm, Berlin Nationalgalerie

Caspar David Friedrich: Bildnis der Schwester Katharina Dorothea. Um 1798 Kreide, 21 x 17 cm, Stuttgart, Staatsgalerie

Mittwoch, 23. Juli 2014

Wer waren Caspar David Friedrichs Mönche?

Sind Caspar David Friedrichs Mönche in Bildern wie der Abtei im Eichwald oder Wallfahrt bei Sonnenuntergang nur Staffagefiguren eines religiösen Bekenntnisbildes oder wird da eine Geschichte erzählt? Da sich der Ort des Geschehens der Wallfahrt mit dem Kloster Broda und dem Prozessionsort erkennen lässt, müssten die Mönche dem Orden der Prämonstratenser angehören, die in dieser Gegend bis zur Reformation wegen ihrer weißen Gewänder de witten Herrn genannt wurden. Friedrich hat die Mönche in der Sepia hell gezeichnet, so dass weiße Kleidung zu unterstellen ist und auch in winzigen Details auf den Schnitt der Gewänder geachtet. Bei dem Gemälde der Abtei im Eichwald lassen sich die Prämonstratenser mittels Reflektografie noch genauer erkennen.

Mehr dazu im Kapitel V. Das kleine Meer, der Fischer und die Mönche http://www.caspar-david-friedrich-240.de/#P-Book

Caspar David Friedrich: Abtei im Eichwald. 1810, Öl auf Leinwand, 110,4 x 171 cm, Berlin, Nationalgalerie

Caspar David Friedrich: Abtei im Eichwald. IR- Reflektografie, Detail, Prozession der Mönche

Caspar David Friedrich: Wallfahrt bei Sonnenuntergang. 1805, Bleistift, Sepia, 40,5 x 62 cm, Weimar, Staatliche Kunstsammlungen

Chorherr der Prämonstratenser

Betender Prämonstratenser Konvent 

Donnerstag, 10. Juli 2014

Warum Goethe Caspar David Friedrich nicht mochte

Johann Wolfgang von Goethe verschaffte Caspar David Friedrich den ersten künstlerischen Erfolg. Bei den vom Dichterfürsten ausgerichteten Weimarer Preisaufgaben bekam der Maler 1805 für seine beiden Sepien Sommerlandschaft mit abgestorbener Eiche und Wallfahrt bei Sonnenuntergang. Das war eine einsame Entscheidung Goethes, die bis heute rätselhaft bleibt, denn denn die eingereichten Blätter hatten nichts mit der Ausschreibung zu tun, die als Thema eine antike Sage forderte, aber Friedrich lieferte zwei Landschaftsallegorien. Man kann vermuten, der Dichter wollte den Maler für seine Zwecke einspannen. Kurze Zeit später verlangte Goethe, dass Friedrich für ihn systematisch Wolkenformationen zeichnet, was der Künstler empört ablehnte. 

Goethe kaufte zwar noch einige Motive Friedrichs für die Sammlung des Weimarer Herzogs an, zehn Jahre später jedoch  notiert Sulpitz Boisserée im Zusammenhang eine heftige Unmutsäußerung Goethes: „[...] die Bilder von Maler Friedrich können ebensogut auf dem Kopf gesehen werden, Goethes Wut gegen dergleichen; wie er sich ehemals ausgelassen mit Zerschlagen der Bilder an der Tischdecke [...].“

Was hatte sich ereignet? Goethe hatte von Friedrich u. a. 1807 die Sepia Hünengrab am Meer angekauft, weil er sich für die archäologischen Ausgrabungen im Herzogtum Mecklenburg-Strelitz interessierte. Als sich die zu Tage geförderten Artefakte als Fälschung herausstellten, fühlte er sich wohl auch von Friedrich getäuscht, der in seinen Bildern offenbar die patriotische Archäologie thematisierte. 

Mehr dazu im P-Book Kapitel 4 http://www.caspar-david-friedrich-240.de/#P-Book 

Caspar David Friedrich: Hünengrab am Meer. 1807, Bleistift, Sepia, 64,5 x 95 cm, Weimar, Staatliche Kunstsammlungen

Mittwoch, 9. Juli 2014

Caspar David Friedrichs tote Soldaten

Caspar David Friedrichs 1835 datierte Sepia Kirchenruine in Wiesenlandschaft wird durch das links stehende Kreuz vor allem als religiöse Erörterung des Todes gedeutet und die freistehende Ruine kompositorisch in die Nähe des Gemäldes Ruine Eldena im Riesengebirge gerückt. Für den Maler war das Blatt jedoch gewiss eine historische Reminiszenz. 

Zu sehen ist die Darstellung des Zingels am Friedländer Tor in NeubrandenburgDer heute freistehende Teil der Befestigungsanlage zeigt sich um 1800 stark beschädigt, durch einen Torbogen mit dem Treppenturm verbunden und im halbkreisförmigen Innenraum mit einer kleinen Fachwerkhütte verbaut.

Zu erkennen ist hinter der Architektur das um 1800 weit ausgedehnte Grasland der Heiden. So ist Friedrichs Sepia Kirchenruine in Wiesenlandschaft weitgehende Naturtreue zu unterstellen. Die vorgenommene stimmungsgeprägte Weitung der Flächen neben und vor dem Zingel setzt die Architektur isoliert in eine einsame Wiesenlandschaft. Der Maler nutzt das Angebot der Natur tendenziell für die Konstruktion einer romantisch arrangierten Szene. 

Die Beschädigungen des Zingels stammen noch von den Zerstörungen des Dreißigjährigen Krieges. Mit der Wiederherstellung der mittelalterlichen Wehranlage beginnt man erst 1844. Vermutlich korrespondiert diese Aura des Zerfalls mit dem links erkennbaren Grabkreuz an jener Stelle, an der die kaiserlichen Truppen des Generals Tilly am 18. März 1631 bei der Belagerung von Neubrandenburg 92 schwedische Soldaten niedermetzeln. So fand man bei der Begra­bung der Erschlagenen zwischen dem Friedland’schen Thore und dem Zingel Leiche an Leiche und abgehauene Fäuste, Finger, Füße, Arme und Beine, Hirnschalen und andere schamsirte menschliche Gliedmaßen. So heißt es in einem Bericht aus dieser Zeit. 

Vorstellbar, dass Friedrich hier den Verteidigern der Stadt ein Denkmal setzen wollte.

Das Neubrandenburger Regionalmuseum bewahrt ein Blatt auf, das den Zustand der Ruine um 1800 festhält, von der Hand eines Fräuleins Anna Müller und mit dem Vermerk: nach einer Skizze von Professor Friedrich gezeichnet.

Mehr dazu im P-Book Kapitel 1 http://www.caspar-david-friedrich-240.de/#P-Book 


Caspar David Friedrich: Kirchenruine in Wiesenlandschaft. Um 1835, Bleistift, Sepia, 18,4 x 24,5 cm, Ehemals Dresden, Sammlung Friedrich Augusts II., verbleib unbekannt
Ruinenbild nach Anna Müller


Carl Gustav Carus: Friedländer Tor, 1818

Der Zingel heute. Foto: Botaurus / wikipedia